30 Sep 2020 • 7 min

Konsequenzen bei Missachtung der VAT Compliance für Online Händler

Daniel Michael
Experte für europäische Steuerthemen
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In unserem vorherigen Blogpost haben wir ja bereits die im Online Handel (und im Speziellen im FBA Programm) gängigsten Szenarien genannt, durch die Du steuerpflichtig im Ausland wirst oder werden kannst.

Kurz zur Auffrischung: Du lagerst in einem der jeweiligen europäischen Länder oder Du überschreitest eine Lieferschwelle in einem der Bestimmungsländer. In diesem – deutlich spannenderen – Blogpost geht es nun um die Konsequenzen die entstehen, wenn Du den Zeitpunkt verpasst hast Dich rechtzeitig um eine USt ID im Ausland zu kümmern. Die jeweiligen Konsequenzen sind zum Teil zu verschmerzen, können aber auch geschäftsgefährdend sein und zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen.

Zwei Fälle der rückwirkenden Umsatzsteuer-Registrierung

• Nachträgliche Registrierung innerhalb eines laufenden Wirtschaftsjahres• Nachträgliche Registrierung nach Abschluss eines oder mehrerer Wirtschaftsjahre Die Unterscheidung beruht ganz einfach auf dem Zeitpunkt der in Kraft tretenden Steuerpflicht und der dadurch entstehenden Zeitspanne zur rückwirkenden Registrierung. Wenn die Korrekturen noch im laufenden Wirtschaftsjahr vorgenommen werden können und müssen, ist der Arbeitsaufwand wesentlich geringer und es ist z.B. keine Selbstanzeige notwendig. Dazu erfährst Du aber später mehr.

Nachträgliche Registrierung innerhalb eines laufenden Wirtschaftsjahres

Fall A: Überschreitung der Lieferschwelle

Wir haben Oktober und Dir fällt auf, dass Du bereits im April die Lieferschwelle in einem Bestimmungsland überschritten hast. Du bist in der Theorie nun seit April umsatzsteuerpflichtig in diesem Land und musst Deine Umsätze dort auch mit Hilfe einer USt-ID melden. In der Praxis hat dies aber nicht stattgefunden. Das ist erstmal nur bedingt ein Problem, was sich mit folgenden Schritten schnell beheben lässt. Die Konsequenzen sind „nur“ Versäumnisgebühren und Zinsen, die wir weiter unten einmal aufdröseln.

SCHRITT 1: BEANTRAGUNG EINER UST-ID

Wichtig ist, dass Du jetzt schnellstmöglich ins Handeln kommst und eine Umsatzsteuer ID in dem jeweiligen Land beantragst. Hier kommst Du in keinem Szenario drum herum.

SCHRITT 2: RECHNUNGSKORREKTUR

Dann müssen Deine Rechnungen rückwirkend ab Überschreitung der Lieferschwelle auf den USt-Satz des Bestimmungslandes geändert und mit der neuen USt-ID des jeweiligen Landes ausgewiesen werden. Falls diese noch nicht vorliegt, genügt es den Wortlaut „in Beantragung“ anstelle der ID auf der Rechnung auszuweisen. Mit Rechnungsprogrammen wie easybill, die sich problemlos z.B. bei Amazon integrieren lassen, ist diese Rechnungskorrektur problemlos möglich. Easybill ermöglicht es die vergangen Amazonverkäufe aufzurufen und die entsprechenden Rechnungen abzuändern. Das Amazon-interne Rechnungstool bietet diese Möglichkeit leider nicht. Die Korrektur der Rechnungen ist aber zwingend notwendig, um umsatzsteuerrechtlich korrekt handeln zu können. Daher hier unser Appell: Spare als Online Händler nicht an den falschen Ecken.

SCHRITT 3: RÜCKWIRKENDE UMSATZSTEUERMELDUNGEN

Der nächste Schritt ist die vergangenen Umsätze in dem jeweiligen Land zu melden und die Umsatzsteuer, auch wenn es rückwirkend ist, rechtmäßig abzuführen. Nun ist die Umsatzsteuer aber in diesem Fall für die Rechnungen von April bis Oktober schon bezahlt worden?! Auch das ist „kein Problem“. Die schon gezahlte Umsatzsteuer, die in Bezug auf die korrigierten Rechnungen bezahlt wurde, holst Du Dir von dem jeweiligen Finanzamt zurück und führst sie dann in dem Land ab, in dem Du die Lieferschwelle überschritten hast. Das war es schon! Naja fast.

Schritt 4: Laufende Meldungen

Umsatzsteuerrechtlich bist Du jetzt im Prinzip auf Stand. Allerdings ist es damit nicht getan. Wenn Dein laufender Online Handel weiterhin in dieses Land verschickt, musst Du nun laufend Deine Umsätze in dem Land melden und abführen. Mit nun korrekt ausgestellten Rechnungen mit korrekt angegebener USt-ID.

Fall B: Trotz Lagerung keine USt-ID im jeweiligen Land

Du stellst im Oktober fest, dass Du ja eigentlich eine USt ID benötigst, da Du seit April dieses Jahres z.B. das CE Programm nutzt und nun auch in PL und CZ lagerst. (Der Haken ist ja einfach geklickt) In diesem Fall musst Du Dich in den beiden Ländern registrieren und die oben beschriebenen Schritte durchführen. Sprich für die Monate April bis Oktober die Umsatzsteuer nachmelden. Dieser Absatz wird gleich um ein Vielfaches länger wenn Du bereits im Vorjahr und damit nach Abschluss eines oder mehrer Wirtschaftsjahre in Bezug auf die Umsatzsteuermeldung in Deinen Lagerländern tätig wirst. Aber bleib einfach dran.

Verzicht auf Lieferschwelle

Moment… So einfach ist es dann doch nicht. Das CE Programm nutzt Du in der Regel um die Strafgebühr von 0,50€ von Amazon zu umgehen. Sprich Du möchtest Deine Umsätze weiterhin in Deutschland versteuern, aber aus PL und CZ versenden. Das ist mit Hilfe eines Lieferschwellenverzichts problemlos möglich. Die Folge ist, dass Du, obwohl Du aus PL und CZ versendest, die deutsche USt-ID auf Deinen Rechnungen ausweisen kannst. Nichtsdestotrotz benötigst Du aber in PL und CZ eine USt-ID, um sog. Nullmeldungen durchzuführen. Zwar musst Du in beiden Ländern keine Umsatzsteuer abführen, trotzdem möchten die Länder über Warenverbringungen informiert werden. Du benötigst also eine USt-ID, musst monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen einreichen, kannst Deine Rechnungen aber mit deutscher USt-ID ausweisen und nur in DE Umsatzsteuer zahlen. So…und jetzt wird es wild. Polen ist das einzige Land, in dem man auf eine Lieferschwelle nur in die Zukunft verzichten kann. Wenn Du im Oktober auf die Lieferschwelle verzichtest, behält Polen sich weiterhin vor, dass dieser Verzicht erst nach 4 Wochen in Kraft tritt, das heißt ab November. In diesem Fall musst Du DOCH alle Rechnungen von April bis einschließlich Oktober für Sendungen aus Polen korrigieren und rückwirkend in Polen die Umsatzsteuer abführen. Bei einem Mehrwertsteuersatz von 23%.Langsam wird deutlich, wie komplex diese Thematik ist und hier wiederum unser Appell: Spare nicht an den falschen Ecken und vor allem INFORMIERE DICH RECHTZEITIG.

Nachträgliche Registrierung über ein oder mehrere Wirtschaftsjahre

Jetzt wird es komplizierter. Wenn Du bereits seit einigen Jahren in PL und CZ lagerst, aber Dich dort nie umsatzsteuerrechtlich gemeldet hast, musst Du dies ZWINGEND nachholen. Das ist keine Option, sondern Fakt. Im schlimmsten Fall ist die Strafe hier: Gefängnis. Die Frage ist dann nur noch in welchem Land?! (Wir wollen hier keine Ängste schüren, sondern für die Thematik sensibilisieren) Doch auch hier kann man das in den Brunnen gefallene Umsatzsteuerkind noch retten. Nur eben nicht so einfach.Trifft dieser Sachverhalt auf Dich zu und Dir fällt heute auf, dass Du schon 2018, 2017 oder sogar 2014 umsatzsteuerpflichtig in einem Land geworden bist, in dem Du noch keine USt-ID hast, geschweige denn Umsatzsteuer gezahlt hast, gilt es schnellstmöglich zu handeln. Und ja, solche Fälle haben wir schon zu Hauf erlebt und bearbeitet.

Selbstanzeige zur Selbsthilfe

Unsere erste Empfehlung ist es, sich hier an einen Experten zu wenden, der sich mit den Gepflogenheiten des Online Handels auskennt und eine gewisse Expertise in solchen Fällen aufweisen kann. Dann empfiehlt es sich, in jedem Land in dem die Steuerschuld rückwirkend über einen so langen Zeitraum aufgefallen ist, eine Selbstanzeige durchzuführen. Dies hat den Zweck, dass man „nur“ noch steuerrechtlich verfolgt werden kann und nicht strafrechtlich. In anderen Worten: Die Konsequenzen sind „nur“ monetär. Andernfalls können die Länder Dich auch persönlich zur Rechenschaft ziehen.

Schritt für Schritt die Steuerpflicht aufholen

Dann ist es im Prinzip wieder der oben beschriebene Prozess, nur dass er ungleich langwieriger und teurer wird. Außerdem werden Versäumnisgebühren und –zinsen ungleich höher ausfallen. Die Komplexität entsteht durch die zu erwartende rückwirkende Steuerlast in verschiedenen Ländern. In der Regel trifft dieses Szenario nicht auf ein einzelnes, sondern mehrere verschiedene Länder zu. Die Folge, der Prozess muss in vielen Ländern durchgeführt werden, Rechnungen müssen korrigiert werden, Unmengen an Umsatzsteuer muss zurückverlangt werden und in jeweils verschiedenen Ländern abgeführt werden. Diese verschiedenen Länder möchten natürlich schnellstmöglich an Ihr Geld kommen, der Prozess der Rückerstattung kann aber viel Zeit in Anspruch nehmen und Du musst Dich mit diversen Finanzämtern rumschlagen, die jeweils als erstes die ihnen zustehende Umsatzsteuer für mehrere Jahre, nebst Versäumnisgebühren und –zinsen, bezahlt haben möchten. Die Folge: Ein massives Liquiditätsproblem. Wie gesagt, nichtsdestotrotz kein Problem, welches sich nicht beheben lässt. Aber viel Zeit, teilweise viel Geld und in jedem Fall viel Energie kostet.

Versäumnisgebühren und Zinsen der einzelnen Länder

Wie oben schon angedeutet, hier mal einige Beispiele für die Höhe der Versäumnisgebühren und-zinsen, die anfallen, wenn über längeren Zeitraum rückwirkend die Umsatzsteuer nachzuzahlen ist.

  • Polen

Gemäß den polnischen Vorschriften beträgt der aktuelle Zinssatz für Steuerrückstände 8% p.m.. Unter bestimmten Umständen kann der ermäßigte Satz von 4% p.m. angewendet werden. Folgende Bedingungen sollten erfüllt sein, um den ermäßigten Satz anzuwenden: Der Steuerpflichtige reicht die Korrektur der Mehrwertsteuererklärung innerhalb von 6 Monaten nach Ablauf der Frist für die Einreichung der Mehrwertsteuererklärung ein.

  • Tschechien

0,05 % der Steuerschuld pro Tag der Verspätung der Abgabe der USt-Erklärung (max. 5 %). 1.000 CZK für die verspätete Abgabe der Kontrollmeldung (zur Info: die Meldung in CZ besteht aus 3 Teilen: Umsatzsteuer, Verbringungen, Kontrollmeldung. Wenn wir melden, wird i.d.R. alles oder nichts eingereicht). 16 % p. a. betragen die Säumniszinsen bei der Verspätung der USt-Zahlung.Wie Du siehst, sind die Konsequenzen und die Höhe der Gebühren von Land zu Land unterschiedlich. Falls Du weitere Informationen benötigst oder die Gebühren eines anderen Landes erfahren möchtest, sprich uns gerne an.

Fazit

KÜMMER UND INFORMIER DICH RECHTZEITIG. Und Appell Nr. 3: Spar nicht an den falschen Ecken. Als Online Händler kann man zwar gut und vor allem schnell teilweise viel Geld verdienen, aber es gehen auch viele Besonderheiten mit diesem Geschäftsfeld einher, die es zu beachten gilt. Insbesondere wenn Ländergrenzen bei Verkäufen und Lieferungen überschritten werden. Der Sachverhalt ist komplex und von Fall zu Fall unterschiedlich, ist das Kind aber einmal in den Brunnen gefallen, lässt sich auch jedes noch so komplexe Problem lösen. Man muss nur schnellstmöglich handeln. Solltest Du Dich in einem der verschiedenen Szenarien wiedergefunden haben, gilt es genau das zu tun: Handeln.countX ist ein führender europäischer Technologieanbieter in Umsatzsteuermeldungen für Onlinehändler. Das Unternehmen setzt kontinuierlich neue Maßstäbe in Bezug auf die Automatisierung der grenzüberschreitenden Einreichung der Umsatzsteuer, durch eine Mischung aus zukunftsweisender Technologie, direkter persönlicher Beratung, strenger Qualitätskontrolle sowie persönlicher Beratung.


Das countX Team verfügt über Erfahrungen mit mehr als 200 Kunden in der E-Commerce-VAT-Compliance und bedient seine Kunden zu höchster Zufriedenheit, die durch Technologie in Kombination mit vorausschauender Beratung ermöglicht wird. Bei Fragen zu dem Thema wenden Sie sich an hello@countx.com oder +49 30 62931550.

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